Der Kanal
Von Linienziehern und Stecknitzfahrern
Ein bedeutender Nebenerwerb der lübschen und lauenburgischen Krummesser Kätner war das Treideln, also das Ziehen der Stecknitzkähne per Mann. Diese wurden als Linienzieher (Linentöger, -trecker) bezeichnet, weil sie de Linen, Plattdeutsch für Leinen, zogen. Sie kamen überall dort zum Einsatz, wo die Strömung der Stecknitz ein Staken gegen die Strömung unmöglich machte. Die einzelnen Ortschaften an der Stecknitz hatten ihre jeweiligen Abschnitte, für die sie tätig waren. Die Treidelpflicht bzw. das Treidelprivileg war mit der Hofstelle verbunden. Schon Carl Friedrich Wehrmann und Dr. Friedrich Bertheau machten darauf aufmerksam, dass die lübschen Erwerbungen im Lauenburgischen nicht nur zur Sicherung der Verkehrswege dienten, sondern dass man mit dem Erwerb von Hofstellen direkt an der Stecknitz auch Bauern zum Treideln und Wasserbau verpflichten konnte. s. ZVLGA. 1913 S. 45 ff
Die Linienzieher hatten ihren kleinen Grundbesitz meist unmittelbar an der Stecknitz, womit auch die geringe Anzahl an Vollhufnern im lübschen Anteil von Krummesse zu erklären ist. So gab es dort 1673 nur einen Hufner, dagegen fünf Großkätner und neun Kleinkätner.
Es gab 12 lübsche (1795 nur 10) und 6 lauenburgische Linienzieherhofstellen. Mit jedem Hof waren zwei Linienzieherstellen verbunden (= 36), die aber auch übertragbar waren. So verzichtete der lauenburgische Schuster Schultz beispielsweise 1774 freiwillig auf die beiden Linienzieherstellen, die zu seinem Hof gehörten, und überließ diese Hinrich Kiekbusch. 1678 wurde die Witwe des verstorbenen Hans Seemanns von Stoffer Sommer mit einem Schiffsstaken vor die Brust gestoßen. Dieser wollte sie davon abhalten, ihr Linienzieherprivileg auszuüben, doch als Erbin der Stelle hatte sie auch als Frau weiterhin das Recht, am Treideln teilzunehmen. s. AHL Kämmerei. Nr. 1943 u, Lübeckische Stadtgüter Anlage 4 S. 185 ff
Die Krummesser Linienzieher waren privilegiert für den Abschnitt vom Oberwasserbaum in Lübeck nach Krummesse und weiter von Krummesse bis zur Berkenthiner Schleuse. Es war eine sehr anstrengende Arbeit, da sie anfänglich zum Teil im Wasser vorgenommen werden musste. Bei den sehr unvollkommenen Stauschleusen trat nämlich das Wasser durch das Aufstauen an einigen Stellen über die Ufer, bis diesem Missstand durch Dämme einigermaßen abgeholfen wurde.
Die Linienzieher mussten Sommers wie Winters 36 Mann an den Wassertagen (Zapftage) stellen. Die Wassertage unterhalb von Berkenthin waren Dienstag, Donnerstag und Sonnabend (s.a Verordnung von 1846). Für die Strecke von Krummesse nach Berkenthin benötigte man zwei Tage, wobei immer ein Tag wegen Wassermangel pausiert werden musste. Auch die Arbeitszeit war geregelt: Auf der Strecke nach Berkenthin durften nur drei Pausen von jeweils maximal 30 Minuten gemacht werden.
Der Lohn für die Treidler bzw. für das zu treidelnde Schiff war festgesetzt. Wenn die Schiffe aber überladen waren, forderten die Treidler Zuschlag bzw. verweigerten den Transport, was oft zu Streitereien führte. Denn durch die Privilegierung konnten sich die Schiffer auch nicht einfach Ersatzzieher besorgen. Im Normalfall mussten die Schiffer am Vortag bis spätestens fünf Uhr abends beim lübschen Bauernvogten ihre Schiffe anmelden, damit dieser für den nächsten Tag die entsprechende Anzahl an Männern am Baum bereit stellen konnte. Waren nicht genug Krummesser verfügbar, durften die Schiffer auch andere Männern anwerben.
Stecknitzschiffer und Linienziehen standen zwar durch die Privilegierung in einem geregelten Abhängigkeitsverhältnis, das die Interessen beider Seiten schützen sollte. Doch weitere Verpflichtungen in der Landwirtschaft, Termindruck durch Auftraggeber, Gewinngier der Schiffer oder einfach nur Bequemlichkeit machten es oft beiderseits schwer, die Regeln auch einzuhalten, so dass Konflikte vorprogrammiert waren.
Überladung war ein häufiger Grund, der dazu führte, dass die Linienzieher sich weigerten einen Kahn zu treideln. So wurde beispielsweise im März 1742 ein Ortstermin an der Krummesser Brücke vereinbart, um festzustellen, ob die Schiffe tatsächlich überladen waren, oder ob nicht, wie es die Stecknitzschiffer behaupteten, und teilweise nur Alte und Kinder zum Treideln bereit gestanden hätten. Tatsächlich fehlten an einigen Schiffen die Pegelmarken, die anzeigen sollten, ob ein Schiff überladen war. Die Schiffer gaben an, diese seien durch unvorsichtiges Treideln der Linienzieher abgestoßen worden. So konnte zunächst keine Entscheidung getroffen werden. Die Schiffer wurden aber später unter Strafe verpflichtet, auf die Pegelmarken zu achten. Urteil s. AHL ASA Int.. Nr. 29667
1760 klagten die Linienzieher erneut. Pächter Holste beschwerte sich im Namen dieser bei der Lübecker Kämmerei. Holste führte selbst die Untersuchung und bestätigte, dass zwei der drei Schiffe (Prähme) überladen waren, und dass das dritte Schiff zu groß gebaut war und nicht den festgelegten Maßen der Stecknitzkähne entsprach. s. AHL Kämmerei. Nr. 1943
Die Prähme waren anfangs bis zu 12 Meter lang, 2,5 Meter breit und hatten, wenn sie beladen waren, einen Tiefgang von 40 Zentimetern. Ab 1823 betrug die Länge der Stecknitzkähne 19 Meter, ab 1845 bis zu 23 Meter. Ihre Tragfähigkeit lag zwischen zehn und dreißig Tonnen.
1780 beschwerte sich der Stecknitzschiffer Hans Heinrich Schütt über die Krummesser Bauern Andreas und Christopher Bleus sowie den Bauernvogt Stück. Angeblich hatten sie ihm gedroht, seinen Kahn nicht zu ziehen, und ihn sogar angegriffen. Bei der Untersuchung stellte sich allerdings heraus, dass Schiffer Schütt generell wohl ein unangenehmer Zeitgenosse war und oft zu Streit neigte. s. AHL Kämmerei. Nr. 1943
Die lübschen Linienzieher, vertreten durch Andreas Albrecht Hümöller und Claus Dahmke sowie die lauenburgischen, vertreten durch Johann Hinrich Stapelfeld, baten 1795 um Lohnerhöhung, da die Lebensmittelpreise derart gestiegen seien, dass sie kein Auskommen mehr hätten. Die Stecknitzfahrer stimmten einer Erhöhung zu, bis die Roggenpreise wieder sinken sollten.
Wenn so eine Tour erst spät abends in Lübeck endete, hatte man noch einen langen Fußmarsch wieder zurück nach Hause in Krummesse vor sich. Dabei galt es auf dem Landweg auch den Krummesser Baum zu durchqueren. Dieser war von Lübschen Soldaten bewacht und das Tor nachts geschlossen. Anfang September 1772 machten sich wieder einmal 30 Krummesser Linienzieher auf den Heimweg und wollten nachts um 1 Uhr das Tor passieren. Vermutlich hatten die Soldaten schon geschlafen und waren trotz Klopfen und Rufen nicht gewillt, ihre warme Bettstätte zu verlassen. So mussten die Linienzieher eine volle Stunde warten, bis endlich das Tor geöffnet wurde. Dieser Vorgang wiederholte sich ähnlich noch zweimal und man kann sich gut vorstellen, dass die Stimmung der Linienzieher nach einem langen harten Arbeitstag so kurz vor dem eigenen Bett recht angespannt war. So gab beim Durchlass schnell ein Wort das andere und es sollte sogar jemand mit einem Stock nach einem Soldaten geschlagen haben. Der Vorgang musste natürlich umgehend an die Obrigkeit gemeldet werden. Im darauf folgenden Verhör gaben die in ihrem Amt gedemütigten Soldaten sich als Opfer des aufsässigen Bauernpacks und sie wollten sogar den Lübschen Bauernvogt Stück in der Menge herausgehört haben. Doch die Obrigkeit hatte Verständnis für die erbosten Linienzieher und sah die Situation als wirtschaftsschädigend für den Stecknitzverkehr an. Und so wurden die Soldaten ermahnt, die Linienzieher in Zukunft nicht mehr an ihrem Heimkommen zu hindern.
Die Stecknitzfahrer, womit immer die Schiffer gemeint sind, die gleich einer Gilde im Amt der Stecknitzfahrer organisiert waren, hatten auf dem Krummesser Friedhof ihren eigenen Begräbnisbereich, mit sogenannten Cooperationsgräbern. Dieser Bereich war durch Steine, die mit dem Stecknitzfahrerkreuz versehen waren, begrenzt. Noch Anfang der 1930er Jahre war einer der Steine vorhanden, daneben stand das Grabkreuz des Flussschiffers Johann Gottfried Stallbaum (*1798; † 1856) Leider sind heute weder Stein noch Kreuz mehr vorhanden. Aber die Stecknitzfahrer nutzten den Begräbnisplatz auch schon lange davor. So ließ z.B. Hinrich Grabawer, ein Stecknitzfahrer aus Lübeck, 1693 seinen kleinen Sohn von dreieinhalb Jahren hier begraben und der Stecknitzfahrer Thomas Hainatz, der plötzlich gestorben war, wurde hier im selben Jahr bestattet (weitere Stecknitzfahrer die hier begrabe wurden: † 1712 Paul Westphäling, † 1713 Claus Willms, ).
1733 gruben sechs Stecknitzfahrer, nach einem lustigen Abend im Stecknitzfahrerkrug und stark betrunken, eine Leiche auf diesem Teil des Friedhofes aus und richteten den Leichnam sitzend auf. Pastor Burmeister entdeckte die pietätlose Freveltat am nächsten Morgen und beschwerte sich bei der Stadt und bat um Bestrafung der Übeltäter. Da das Amt der Stecknitzfahrer diese scheinbar deckte, wurden diese in Abwesenheit zu 14 Tagen bei Wasser und Brot im Marstall (Lübecker Gefängnis) verurteilt. Der Marstall konnte so ein Verhalten natürlich nicht tollerieren und ermahnte das Amt, die Delinquenten auszuliefern und jene so vor einer noch härteren Bestrafung zu bewahren. s. AHl ASA Int. Nr. 19909
Der Kanal war am Sonntag durch einen Wasserbaum gesperrt. So kamen die Stecknitzfahrer verkehrsbedingt auch oft sonntags in Krummesse zu liegen und hatten als gute Christen den Gottesdienst zu besuchen. Deshalb hatten sie in der Kirche ihr eigenes Gestühl (s. Schild oben). Als Nutzer der Kirche waren sie dieser auch verpflichtet. So gab das Amt der Stecknitzfahrer, die Gilde in der die Schiffer organisiert waren, jährlich 4 Mark und 8 Schilling an die Krummesser Kirche für Altarlichter. Da sie auch den Friedhof nutzten, waren sie selbstredend auch an Unterhaltung der Friedhofseinfriedigung beteiligt. Als es 1844 zur Auflösung des Stecknitzfahreramtes kam, übernahm der Lübecker Staat diese Verpflichtungen (s.a. Schreiben Pastor Hintze 1878/79).
1773 bemühten sich die Stecknitzschiffer bei der Lübecker Kämmerei um die Alleinberechtigung zum Holzflößen unter Ausschluss der Krummesser Bauern. 1773 hatte der Krummesser Bauer Jürgen Blois Bäume nach Lübeck geflößt und 1775 hatte der Schuster und Stecknitzkrugwirt Hinrichsen einen Auftrag zum Flößen angenommen. Ein Grund für die Beschwerden der Schiffer war der Rückgang des Ladungsaufkommens in den 1770er Jahren. Sie argumentierten, dass beim Flößen bzw. beim Hineinziehen der Stämme in die Stecknitz viel Sand in den Fluß gerate, der die Schifffahrt behindere. Zudem seien nur sie privilegiert Transporte durchzuführen. Die Bauern waren sich aber keiner Schuld bewusst, da die Transporte von 1773 und 1775 auch nicht auf ihre Initiative zustande gekommen waren, sondern sie nur als Handlanger der Holzverkäufer in Aktion getreten waren. Die Kämmerei gab den Schiffern Recht und untersagte den Bauern das weitere Flößen.
1780 machten die lübschen Krummesser Linienzieher eine Eingabe bei der Kämmerei. Die Bauern Hans Fick und Andreas Blois erinnerten sich, dass man schon vor 60 Jahren im Auftrag des Lübecker Bauhofes Bäume nach Lübeck geflößt hatte und jetzt auch nur den lübschen Linienziehern das Flößen untersagt war, nicht aber ihren lauenburgischen Nachbarn.
Aber wir dürfen dabei nicht vergessen, das Linienziehen war nur eine Nebenbeschäftigung. Die erste Pflicht der Bauern galt dem Hof mit Hand- und Spanndiensten zu dienen. Und das galt für fast alle Krummesser, ob nun zum Klempauer oder zum Krummesser Hof gehörig. Zudem gingen viele noch einem Handwerk im Nebengewerbe nach. So beklagten sich die Salzführer 1783, dass sie durch die Hofdienste der Insten und Linienzieher in argen Verlust geraten seien. 14 Tage und länger hätten Stecknitzschiffe mit voller Ladung liegen bleiben müssen, bevor sie von den Linienziehern entgegengenommen seien.
Verordnung § 20: Wenn sechs oder mehrere Schiffe an einem Tage aus Lübeck fahren, so müssen die ersten beiden Schiffe, nachdem sie Abends in Crumesse angekommen sind, sogleich durch die Brücke legen, insofern die Schiffe oberhalb der Brücke flott liegen können.
Mit dem neuen Kanalbau endet die Geschichte des Stecknitzkanals und Linienzieher wurden durch Einführung von Dampfschiffen allmählich überflüssig.
Der Stecknitzfahrerkrug - "Lütgens Krug"
Einen besonderen Mittelpunkt für die Linienzieher und Stecknitzschiffer bildete der sogenannte Stecknitzfahrerkrug (s.a. Höfe RZ) direkt neben der Brücke und dem Wasserbaum, denn ein Teil der Entlohnung für das Treideln wurde in Bier und Branntwein vergütet. Pro Mann und Tag stand den Linienziehern eine halbe Flasche Branntwein und Bier, soviel sie mochten, zu (1795: 1 Kanne Bier u. 6 Ohm Brandtwein). Dazu die Stecknitzfahrer: "Diese Leute würden stets unsere guten Freunde sein, wenn wir nur ihre Taschen mit so vielem Gelde bespicken wollen und könnten als sie ordnungswidrig von uns verlangen, und wenn wir nur ihre Leiber mit Bier und Brandtwein so häufig und voll beladen könnten und wollten, als sie darnach trachten, sich von uns mit solchen Getränken beladen lassen."
Ab wann diese Lauenburgische Hofstelle die Kruggerechtigkeit besaß, ist nicht klar. Da aber die Schiffer wie auch die Linienzieher immer schon unter trockenen Kehlen litten, dürfte dieser Krug auch schon sehr alt sein. Sicher beginnt die Hoffolge mit dem Cardowanisch[e]n Schuhmacher Gerdt Bülsing (Bolzing) ab 1585. Denn von seinem Sohn Berling, ebenfalls Schuster, wird gesagt, dass er nahe der Brücke lebe und dieser wird 1600 auch als Krugwirt bezeichnet. 1602 heißte es dann: "im Lütgens Krug bei der Brücke". Ein Cardowanischer Schuhmacher stellte Schuhe nach der Art, wie im spanischen Cordoba her, d.h. er verwendete nur einen bestimmten Teil des Pferdeleders (s. Wikipedia ). Weshalb sich aber nun gerade so ein Edelschuhmacher in Krummesse niederließ, ist schwer zu sagen. Vermutlich handelte es sich bei ihm um einen Religionsflüchtling, der Aufgrund der städtischen Zunftbeschränkung sich nicht in Lübeck niederlassen durfte. Mit der Lübecker Böhnhasenverodnung von 1603, die sich auch speziell gegen Corduanmacher auf den umliegenden Dörfern richtete, war Bülßing Lübeck als wichtiger Absatzmarkt verloren gegangen. So verließ sein vermutlicher Sohn Hans Bülßing 1614 Krummesse und ging nach Ratzeburg. Nachfolger auf dieser Stelle wurde vermutlich der 1629 genannte Marcus Karn. 1636/1646 wird sein vermutlicher Sohn, Heinrich Karn genannt. Dann verliert sich die Spur der Familie Karn. 1652 ließ ein Schuster namens Jürgen Thomas Drosselmann eine Tochter in Krummesse taufen. Aber auch über ihn ist nichts weiter bekannt. Ihm folgte laut Urbarbuch von 1659 August Gößler, der vermutlich der Sohn des Krummesser Pastors Georg Gössler war. Er und seine Frau Catharina werden 1655 und 1656 jeweils zweimal als Paten genannt, dann verliert sich auch ihre Spur in Krummesse.
So geht es erst sicher wieder 1672 mit dem Schuster und Kätner Hans Fischer weiter. Dieser muss schon vor 1691 verstorben sein. 1698 übergab seine Witwe den Katen für 200 Mark ein ihren Schwiegersohn Hans Ridder aus Klein Wesenberg. Ridders beschwerte sich 1699 beim Krummesser Gutsherren über den schlechten Zustand der Uferbefestigung. Dieser möge doch bitte neue Bretter setzen lassen, da sonst sein Haus Schaden nehmen würde. Von Brömbsen leitete die Forderung an den Lübecker Bauhof weiter, da er nicht für die Stecknitz zuständig war. Trotz allem scheint aber bis 1705 nichts geschehen zu sein.
s. AHl ASA Int. Nr. 29456
Ridder übergab 1722 den Katen wiederum an seinen Schwiegersohn Hans Jürgen Linde. Von diesem ging 1736 die Hofstelle an Hans Scharbau, dessen Tochter 1759 den Schuster Johann Detlef Hinrichsen heiratete. So kam der Hof 1795 an seinen Sohn Franz Jürgen Thomas. 1805 wird das Wohnhaus neu gebaut. Hierauf verwies eine Inschrift: "Franz Jürgen Hinrichsen Anno 1805". Im Obergeschoß war ein niedriger, aber geräumiger Saal. "Dor hebben fröher de Stecknitz-Schippers in danzt."
Franz Jürgen Thomas Hinrichsen wird 1809 erstmals wieder als Wirt genannt. Dieser übergab die Hofstelle 1831 an seinen Sohn Johan Hinrich Herman Hinrichsen, der aber schon 1837 verstarb. So ging der Hof im selben Jahr noch an Johann Christian Weidemann, Sohn des Krummesser Hofjägers Johan Weidemann, über.
Der Wirt Johann Christian Weidemann war ein sehr umtriebiger Mann, neben seinem Hof und dem Krug betrieb er noch eine Brennerei, eine Bäckerei und eine Hökerei. Weidemann war zweimal verheiratet und hatte sechs Kinder. Sein Sohn Heinrich Wilhelm übernahm 1867 die Hofstelle. Der letzte Weidemann war der Enkel Martin Weidemann, der als Unteroffizier schwer verwundet aus dem 1. Weltkrieg wieder kam und noch 1927 als Landmann genannt wird.
Dieses schöne Fachwerkhaus brannte 1937 leider nieder und das Grundstück liegt seitdem brach.
Der Stecknitz-Kanal
Die Stecknitz war schon seit 1336 durch einen Schleusenbau bei Stenborg bis Mölln schiffbar. Da die Donnerschleuse wie auch die Berkenthiner Schleuse vermutlich schon vor 1398 entstanden waren, hatte dies naturgemäß auch Einfluß auf den Stecknitzübergang bei Krummesse. Denn so ein schiffbares Gewässer hatte auch seine negativen Seiten. Vor dem Kanalbau bestand in Kronsforde, der ehemaligen Kranichfurt, wie vermutlich auch in Krummesse noch die Möglichkeit, den Fluß einfach zu durchfahren. Doch mit dem Kanalbau war es hiermit vorbei und eine Querung war nur per Fähre oder über eine Brücke möglich. Seit wann eine solche in Krummesse über die Stecknitz führte, konnte bisher noch nicht geklärt werden. Da aber für Kronsforde schon 1533 eine Brücke nachgewiesen ist und Krummesse ebenfalls an der Lübeck-Hamburger-Landstraße lag und einen wichtigen Verkehrsknotenpunkt bildete, ist eine solche auch hier schon zu dieser Zeit anzunehmen. Auf der "Stitenschen Karte" von ca. 1609 ist diese auch gezeigt. Urkundlich wird die Krummesser Brücke erstmals 1589 in einer Spruchakte genannt. 1618 läßt der Lübecker Bauhof, der für den Bau und Erhalt aller Kanalbauwerke zuständig war, die Brücke ausbessern. Dann wieder 1636 in den Lübecker Fahrrechten: "Crumess Anno 1636 den 25 January des Abents umb 7 Uhren ist Hinrich Möller ein Haußmann von Bliestorff in Sachsen unter Juncker Christoff Toden gehörig, als es finster gewesen, mit und benebenst seinem bruder zu Crumesse über die brücke gangen. weill ihme aber der Huth vom Kopfe abgewyhet, hat er denselben im finstern gesuchet, und ist drüber unvermuthlich von der brücken in die Steckniß ins Wasser gefallen und daselbst ertruncken, welcher Cörper den 16 Marty zu nachmittage erstlich im schleperboge uff dieser Seiten Crumeße an Juncker Gödert Brömsen kopel todt wieder uffgefunden, worselbsten die Ernveste Achtbahre und wolweise Herr Frantz Prünserer und Herr Hinrich Remmers Rathmanne und Gerichtsverwalter den 17 Marty ietz lauffenden Jahres nachmittage umb halb 4 Uhr das gewöhnliche Farrecht gehalten, Acta id supra Zeugen Jürgen Laßow und Hinrich Karen."
Unsere heutige Vorstellung eines Kanals ist geprägt durch den jetzigen Elbe-Lübeck-Kanal und andere moderne Kanalbauten des 19. und 20 Jahrhunderts. Der Stecknitzkanal hatte aber wenig mit diesen gegrabenen Wasserstraßen gemein. Hier handelte es sich um ein natürliches mäanderndes Fließgewässer, dass zur Schiffbarmachung an einigen flachen Stellen mit Schleusen aufgestaut war und nur an der Scheitelstrecke durch einen Graben mit der Delvenau verbunden wurde. Dies zeigt auch noch sehr deutlich die Behrenskarte (links) von 1818. Die Strecke von Lübeck bis Lauenburg betrug noch 97 km, der heutige Kanal hingegen misst nur noch 61,5 km. Jede Biegung, Buge genannt, hatte ihren eigenen Namen. Für Krummesse sind folgende Bugen in Fließrichtung belegt: Coßbuge vor der Brücke, Bornbuge, Martenbergsbuge und Schleperbuge nach der Brücke (s.a. Bugen Büssau: Erlenbuge, Kötelbug, Moisling: Bolbrugge). In Krummesse war die Stecknitz immerhin so tief, dass man hier ertrinken konnte, was über die Jahrhunderte durch mehrere Unglücksfälle belegt ist. Der erste überlieferte Fall stammt aus dem Jahr 1566. In diesem Jahr, Mittwoch, den 26. Juni, zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags ertrank Cord Köster, der Sohn des Hamburger Steinhauers Hans Köster hier in der Stecknitz. Vielleicht ist dies auch ein Beleg dafür, dass man auch schon im 16. Jahrhundert die Stecknitz in Krummesse querte um nach Hamburg zu gelangen. Denn ursprünglich führte der Weg nach Hamburg erst in Berkenthin über die Stecknitz, erst ab 1675 ist es sicher, dass man schon in Krummesse hinter der Kirche abbog und hier die Stecknitz querte, um die in diesem Jahr verkürzte Strecke über Bliestorf und Kastorf (s.a. Straße) zu nehmen.
1679 beschwerten sich die Stecknitzfahrer bei der Lübecker Wette, dass der Krummesser Gutsherr von Brömbsen das Schilfgras zwischen der Kronsforder Brücke und dem Kastorfer Mühlenbach von seinen Bauern hatte abschneiden lassen. Sie wiesen darauf hin, dass das Kraut das Wasser stauen würde, und damit bedeutsam für die Schifffahrt sei. Auch würden die Krummesser Bauern kleine Dämme zum Fischfang in die Stecknitz setzen und sich weigern, diese wieder zu entfernen. 1706 kam es wiederholt zum Schneiden des Schilfs. s. AHL ASA Int. Nr. 29454
1820 brannte der Sommersche Katen am Kanal nieder. Als im folgenden Jahr wieder ein neues Haus aufgebaut werden sollte, beschloss der Lübecker Bauhof, dies an anderer Stelle zu tun, da nun nach den Plänen des Kartographen Heinrich Ludwig Behrens (* 1787; † 1839) von 1818 die lange Krümmung an der Brücke mit einem Durchstich verkürzt werden konnte. Dies wurde aber erst 1835 umgesetzt.
1824 kommt es zu einem tragischen Unfall. Vier Krummesser Jungs hatten in der Stecknitz gebadet. Dabei ertranken die beiden Söhne des Tischlermeisters Horstmann, Jacob 15 Jahre und Thomas 13 Jahre. s. AHl ASA Int. Nr. 29097
Der Elbe-Trave-Kanal
Ende des 19. Jahrhunderts war der Stecknitzkanal völlig veraltet und für den modernen Schiffsverkehr unbrauchbar. Planungen den Kanal zu verbessern gab es in den Jahrhunderten davor zu Hauf, doch kam kaum etwas zur Umsetzung. Und so wurde eine Erneuerung mehr als überfällig. 1896 begannen die
Bauarbeiten mit dem ersten Spatenstich zum Bau der Krummesser Schleuse, die im Frühjahr 1898 schon fertig war. Diese sogenannte Hotoppsche Schleuse wurde vom Lübecker Bürgermeister und den Senatoren für gut befunden und diente den übrigen Schleusen als Muster. So besuchten am Nachmittag des 18. Juni 1898 beispielsweise Präparanden mit ihren Lehrern die Schleuse. Der Wasserbaudirektor Rehder hatte die Freundlichkeit gehabt, einen fachkundigen Herrn hierher zu versenden, um die maschinellen Einrichtungen zu erläutern und in Betrieb zu setzen.
Zum Schleusenbau 1896 aus den Vaterstädtischen Blättern:
Literatur zur Krummesser Kanalgeschichte:
Topographie des Stecknitz-Kanals, und Darstellung eines Projects zu einer besseren Einrichtung desselben,
H.L. Behrens, Hamburg 1818
Der Elber-Trave-Kanal. Zur Eröffnungsfeier am 16. Juni 1900, Lübeck, Der Wasserbaudirektor (Rehder) Eigenverlag /Druck: Lübeck, Gebrüder Borchers,, 1900
Lauenburgische Heimat neue Folge 1957, Linienzieher auf der Stecknitz, Ekkehard Buchhofer
Die Stecknitzfahrt, Walter Müller, Ratzeburg 1990
Der Elbe-Lübeck-Kanal - Ein technisches Denkmal, Donatus Hamrosi, Lübeck 1991
ZVLGA 1898, Seite 290 "Die Projekte zur Verbesserung des Stecknitzkanals und die französischen Annexionen vom December 1810
Der Elbe-Lübeck-Kanal die nasse Salzstraße, Christel Happach-Kasan und Walter Müller, Neumünster 1992
Die Geschichte der Stecknitz-Fahrt 1398-1998 - Hanse, Salz und Verkehr zwischen Hamburg, Lüneburg und dem Herzogtum Sachsen Lauenburg
Boehart, William; Lopau, Christian; Bornefeld, Cordula